Wir erläutern hier die Grundsätze des Bankroll Managements (BRM) für Poker-Turniere (Sit and Go’s, Double or Nothing und Multi Table Tournaments) und zeigen, wie wichtig das Einhalten des BRM ist, um zu vermeiden, dass man „broke“, also bankrott geht. Um diesen Strategie-Artikel zu verstehen, ist es wichtig, dass man weiss, was ROI (Return on Investment) bedeutet.
Einführung ins Bankroll Management für Pokerspieler
Mit Bankroll wird die Summe an Geld bezeichnet,
- die man online bei Pokerräumen (wenn man bei mehreren Räumen spielt, kann man die Beträge addieren)
- und die man bei Online-Bezahldiensten (Skrill/Moneybookers, Neteller), welche man fürs Ein- und Auszahlen auf Pokerseiten verwendet,
gelagert hat. Theoretisch könnte man auch noch das Geld hinzuzählen, welches man sich aus vergangenen Gewinnen ausbezahlt hat oder welches man nicht direkt für den Lebensunterhalt benötigt, aber das widerspricht den Grundsätzen einer Trennung zwischen Poker-Geld und Geld, welches man zum Leben braucht.
Notwendigkeit des Bankroll Managements
Als ambitionierter Turnierspieler sollte man seine Bankroll mit den Augen eines Unternehmers betrachten: Es ist das Kapital, welches man in neue Geschäfte (Poker-Turniere) investiert, und bei welchem man eine gewisse Rendite (ROI) für die aufgewendete Zeit und das eingegangene Risiko erwartet. Hat man kein Kapital (Bankroll) mehr, dann ist man bankrott (broke) und die Unternehmung muss liquidiert werden (man muss sich ein neues Hobby suchen). Ein vorausschauender Unternehmer wird nur kleine Anteile seines Kapitals in einzelne Geschäfte investieren, um ein Klumpenrisiko zu vermeiden, was den Fortbestand seines Unternehmens gefährden kann.
Genauso sollte ein Pokerspieler denken: „Welchen Anteil meiner Bankroll kann ich in Poker-Turniere investieren, ohne eine zu grosses Risiko, letztendlich broke zu gehen, einzugehen?“. Unter diesen Überlegungen zur Vermeidung des Online Poker-Bankrotts wird Bankroll Management (BRM) verstanden.
Tatsächlicher ROI und erwarteter ROI
Beim ROI muss man zwei Messgrössen unterscheiden: Der tatsächliche ROI ist der ROI, den man über einen bestimmen Zeitraum oder eine bestimmte Menge an Turnieren in der Vergangenheit erzielt hat. Der erwartete ROI ist der ROI, den man über eine extrem grosse Stichprobengrösse erzielen würde. Dieser Wert ist hypothetisch, da niemand z.B. 100’000 SnG’s in einen sehr kurzen Zeitraum spielen kann, ohne dass sich die Einflussfaktoren des ROI wie die Qualität Gegner und das eigene Können verändern. Je mehr Turniere man gespielt hat, desto näher ist der tatsächliche ROI beim erwarteten ROI.
Einfluss ROI auf das Bankroll Management
Beim BRM geht es ja darum sicherzustellen, dass man beim Pokern nicht broke geht. Der erwartete ROI eines Spielers muss deswegen zwingend positiv sein, ansonsten wird der Spieler über kurz oder lang bankrott gehen. Je höher der erwartete ROI eines Spielers ist, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit eines Totalverlustes. Ein Spieler, der langfristig nur 1% ROI erzielt, muss eine viel grössere Bankroll zur Verfügung haben als ein Spieler mit 20% erwartetem ROI. Dies sollte klar sein: Ein mittelmässiger Spieler wird viel häufiger Perioden haben, in denen er nicht ins Geld kommt als ein Spieler, der der Konkurrenz haushoch überlegen ist.
Unsere Empfehlungen zum Bankroll Management richten sich an Spieler, die ihr aktuelles Limit deutlich schlagen, d.h. einen erwarteten ROI von 5-10% haben. Spieler, die sich einen höheren ROI zutrauen, können mit geringerer Bankroll fahren. Spieler, die sich keine 5% ROI zutrauen, sollten mit einer grösseren Bankroll spielen als empfohlen.
Einfluss Turniervariante auf das Bankroll Management
Die Turniervariante hat ebenfalls einen sehr starken Einfluss aufs BRM. Grundsätzlicher gilt, dass je flacher die Auszahlungsstruktur und je grösser der Anteil an ausbezahlten Plätzen ist, desto geringer die benötigte Bankroll für ein bestimmtes Buy-In ist. Ein Pokerspieler, der Heads-Up (HU) oder Double or Nothing-Turniere (DoN) spielt, kann also mit deutlich geringerer Bankroll spielen als Fans von Multi Table Turnieren mit 500 und mehr Spielern: Bei DoNs kommt ein durchschnittlicher Spieler jedes zweite Mal ins Geld, während bei MTTs die Wahrscheinlichkeit dazu rund 10% beträgt, und die Wahrscheinlichkeit auf einen grossen Cash am Final Table vielleicht 2% beträgt.
Einfluss Sample Size auf Bankroll Management
Die Grösse der Stichprobe, der Sample Size, ist ein weiterer wichtiger Treiber des Bankroll Managements: Je mehr Spiele man spielt, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, broke zu gehen. Wenn man mit einer Bankroll von 30 Buy-Ins SnGs spielt, dann beträgt die Chance, in 10 Spielen broke zu gehen, 0%, da man noch die zwei Drittel der Bankroll übrig haben wird. Spielt man aber 2000 Spiele, besteht für Spieler mit einem erwarteten ROI von 5% ein Risiko von 97.2%, einen Down von über 30 oder mehr Buy-Ins zu erleben:
Die obige Tabelle zeigt, wie hoch das Risiko eines Downs bei SnGs ist. Wenn man also immer nur mit der minimal notwendigen Bankroll von 30 Buy-Ins spielt (und allfällige Gewinne jeweils auscasht), dann wird man, sobald man mehrere hundert Turniere spielt, kaum darum herumkommen, ein Limit abzusteigen oder Geld einzuzahlen – selbst wenn man das aktuelle Limit schlägt.
Varianten Bankroll Management
Die Möglichkeiten des Bankroll Managements kann man abhängig von der Risikobereitschaft entlang der Achse sehr konservativ – konservativ – ausgewogen – aggressiv – sehr aggressiv einteilen. Je nach bevorzugter Strategie spielt man ein Limit mit einer Bankroll, die aus vielen Buy-Ins besteht (konservative Strategie), oder mit nur wenig Buy-Ins als Reserve (aggressive Strategie). Ein Profi, der mit Pokerturnieren seinen Lebensunterhalt verdient, sollte einen viel grösseren Aspekt auf Sicherheit legen als ein Hobbyspieler, der nur des Spasses wegen pokert. Wir erläutern jetzt die Vor- und Nachteile der beiden Strategien.
Die konservative Strategie des BRM
Vorteile
- man reduziert die Wahrscheinlichkeit, ein Limit absteigen zu müssen, was zermürbend sein kann
- Downswings treffen einem weniger hart, weil sie nur einen kleinen Teil der Bankroll betreffen. Dadurch ist auch die psychische Belastung geringer
- man spielt längere Zeit auf einem Limit, wodurch man mit grösserer Sicherheit sagen kann, dass man das Buy-In schlägt. Dadurch lernt man auch die Gegner besser kennen und erhöht seinen ROI
Nachteile
- man steigt zu langsam auf das nächsthöhere Limit auf. Dadurch erzielt man nicht den maximal möglichen Gewinn
- man muss längere Zeit warten, bis man einen Spielfortschritt im eigenen Spiel (Aufstieg als Gradmesser) erkennt
Die aggressive Strategie des BRM
Vorteile
- als guter Spieler steigt man schneller auf und erhöht dadurch seinen erzielten Gewinn
- ein Aufstieg ist motivierend
Nachteile
- Limit-Abstiege können einem psychisch zusetzen
- ein Down – selbst wenn es nur 20 Buy-Ins sind – kann eine Halbierung der Bankroll bedeuten
- es besteht das Risiko, dass man nicht rechtzeitig absteigt und im Fall eines Downswings einen Grossteil seiner Bankroll verliert
- ein zu rascher Aufstieg kann dazu führen, dass man auf „scared money“ sitzt und aus Angst vor dem Ausscheiden aus einem Turnier zu ängstlich spielt
Empfehlung Bankroll Management
Welches Bankroll-Management ein Spieler betreiben will, muss er letztendlich selbst wissen und hängt primär von seiner Risikobereitschaft ab. Wir haben euch hier basierend auf mathematischen Simulationen und Erfahrungswerten eine Tabelle zusammengestellt, bei der ihr ablesen könnt, wie viele Buy-Ins ihr fürs jeweilige Limit benötigt:
In den Spalten sind die Turniervarianten SnG, DoN, Heads-Up, 18er SnG, 45er SnG und MTT (>100 Spieler) aufgeführt. Will man also ein aggressives BRM betreiben, dann sind für Sit and Go’s (SnG) 50 Buy-Ins und für Double or Nothing (DoN) 30 Buy-Ins als Bankroll die Mindestvoraussetzung. Hat man also 1200$ zur Verfügung, dann kann man 22$ SnGs spielen (54 Buy-Ins) oder 33$ DoNs (36 Buy-Ins). Hat man als SnG-Spieler weniger als 550$, dann muss man von den 22ern auf die 11er SnGs absteigen, da man gerade noch 50 Buy-Ins für das untere Limit hat.
Eine einfache Möglichkeit, zu sehen, mit welcher Bankroll man welches Limit bei einem gewählten Bankroll-Management man spielen kann, bietet ein kleines Excel-Sheet, welches wir erstellt haben. Man sieht in diesem Beispiel unten mit einem 50 Buy-In BRM, welches Limit man bei welcher Bankroll spielen kann. Wenn man 1000$ einzahlt, kann man die 11$ Turniere spielen. Sobald man über 1100$ hat, kann man auf die 22er aufsteigen und mit 1650$ auf die 33er aufsteigen. Läuft es schlecht und die Bankroll fällt unter 550$, dann muss man auf die 11er absteigen, da man gerade noch 50 Buy-Ins für dieses Limit hat. Bei einem Aufstieg auf die 22er mit 1100$ kann man ein Downswing von 25 Buy-Ins verkraften, bis man auf die 11er absteigen muss.
Sende jetzt ein Nachricht mit dem Betreff „BRM“ an poker [–at–] sngpokerstrategie [–Punkt–] com, um die obige Bankroll-Management-Tabelle kostenlos zugestellt zu bekommen und um einen Newsletter mit einer Übersicht der neusten Strategie-Artikel hier auf www.sngpokerstrategie.com zu erhalten (höchstens einmal pro Monat).
Zusammenfassung
Wir haben gelernt, dass das Beachten des Bankroll-Managements unglaublich wichtig ist, um zu vermeiden, als Pokerspieler broke zu gehen. Wir haben weiter gesehen, dass ein Spieler mit einem hohen erwarteten ROI ein aggressiveres BRM betreiben kann als ein Spieler, der knapp zu den Gewinnern gehört. Dann haben wir festgestellt, dass die Turniervariante ein weiterer wichtiger Treiber des BRM ist: Bei DoNs, wo die Hälfte der Spieler ihren Einsatz verdoppeln können, wird eine geringere Bankroll als Sicherheit benötigt als bei SnG’s oder MTT’s. Zum Schluss haben wir euch die Vor- und Nachteile von konservativem und aggressivem BRM vorgestellt.
Mit wie vielen Buy-Ins als Rücklage ein Spieler spielen will, muss jeder anhand seiner Präferenzen selbst entscheiden. Wichtig ist, dass man sich strikt ans BRM hält und konsequent auch absteigt, wenn die Bankroll schrumpft. So vermeidet auch man bei einem aggressiven BRM, dass man komplett broke geht.
Herzlichen Dank für die guten Ratschläge. Das alles brauche ich derzeit dringend.
Eines allerdings vermisse ich sehr, nämlich eine dazu passende CASHOUT-Strategie. Die gehört m.E. zu jedem BRM-Thema, weil ich ja nicht Poker spiele, um meinen Bankroll zu vergrössern, sondern um irgendwann eine Summe davon abzuzweigen, um meinen Spass im Leben zu bezahlen…
Aber wieviel sollte ich abzweigen, und wann? Ich bin zu dem – vorläufigen – Schluss gekommen, dass 10%-15% jedes Buy-Ins OK ist, aber vielleicht ist das falsch bzw. viel zu riskant?
MTT-Turniere:
150 BIs für die mittlere Strategie ist kein guter Wert: Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob ich ein 15$ / 45 Teilnehmer / freezeout spiele oder ein änhnliches mit 1267 Teilnehmern. Auch wären die gleichen Teilnehmerzahlen bei einem 550$ Buy-in Turnier eine ganz andere Sache in Bezug auf ROI; die Varianz ist in all diesen Fällen ganz unterschiedlich; fürs erste sind 80-90 BIs wohl genug, fürs zweite wäre es klug mit 250 BIs zu rechnen.
Satelliten-Turniere:
In einigen dieser Turniere gewinne ich kein Cash, sondern ein Buy-in-Chip für ein wichtiges Event: Soll ich teilnehmen oder nicht? Was ist hier die Bankroll-Rechnung?
Bankroll und Zielsetzung:
Bei allem Lob für gute Online-Pokersites und gute Live-Spielmöglichkeiten, Fakt ist: Das ganz grosse Geld im Poker liegt bei der WSOP, WSOPC, WPT, EPT, usw. Wir sprechen hier von Buy-ins ab 1500$ aufwärts. Für jeden ernsten Pokerspieler sind Online-Poker und einige nette buy-ins in Casinos nur Zwischenetappen. Sein Ziel ist eine gute ROI nach Steuern, die Möglichkeit der Bilanzierung seiner Gewinne/Verluste sowie Abschreibungen sämtlicher Kosten, die mit seinem Pokerspiel zu tun haben. Eine 6-Stellige Bankroll ist hier eine minimale Vorausetztung (gute Profis zählen hier x2).
Dann frage ich mich aber: Falls ich mich nur auf Turnierpoker konzentriere (SnG, STT, MTT-small, MTT-large, incl. fixed-limit + no-limit), und mit einem vernünftigen ROI, sagen wir mal 5%: Wie lange dauert es wohl, wenn ich Online mit 600 Euro starte, um ein 6-stelliges Bankroll zu erreichen? 300 Jahre, 500 Jahre? Spass beiseite, Sie sehen worauf ich hinaus will: Mit einem guten BRM werde ich mein Risiko zwar minimieren, aber dann sollte ich keine grossen Sprünge erwarten. Also:
Teilnahme an einem wichtigen Event? Wohl eher nicht. Bitte sagen Sie das auch Ihren Lesern!
Hallo Mike
Danke für Deinen Besuch und Deinen ausführlichen Kommentar via E-Mail, die wir gerne hier beantworten.
Cashout-Strategie:
Du kannst so viel auscashen wie Du willst, musst einfach entsprechend wieder absteigen. Wer ambitioniert ist, casht wenn möglich nie aus, sondern steigt einfach immer weiter auf. Irgendwann – und das merkt man selbst – kommt man auf dem Limit an, auf dem man nicht mehr weiter aufsteigen kann oder will. Entweder weil die eigenen Fähigkeiten nicht ausreichen oder weil einem das Risiko zu gross ist/einem das Spiel um so hohe Beträge einfach nicht liegt. Das ist dann der Moment, regelmässig auszucashen.
BRM für MTT:
Du hast recht – je mehr Teilnehmer, desto höher die Bankroll-Anforderungen weil die Chance auf einen grossen Gewinn kleiner ist.
Satelliten-Turniere:
Schlussendlich ist der Gewinn eines Buy-In-Chips für ein grösseres Event ja auch etwas wert. Aber wenn Du mit Deiner Bankroll nur noch Qualifyers spielst wirst Du vermutlich irgendwann absteigen müssen. Deswegen machen es viele so, dass sie einfach nur ab und zu Satelliten-Turniere spielen und auf viel Glück hoffen.
BRM und Ziele:
Die wenigsten schaffen es nach ganz oben. Man darf nicht vergessen dass >90% der Spieler Geld verlieren. Diesen hilft das Bankroll Management, mit ihrem Kapital möglichst lange spielen zu können, bevor das ganze Geld verloren ist.
Es ist allerdings auch im online Poker möglich, gutes Geld zu verdienen. Es gibt viele Profis, die sich auf online Poker spezialisiert haben, denn es bietet viele Vorteile: Keine richtigen Tells, keine Reisekosten und kein Zeitaufwand, die Möglichkeit viel mehr Hände zu spielen, das Einsetzen von Analyse-Programmen und HUDs etc.
Die meisten Spieler, die an den Main Event gehen, erfüllen die BRM-Kritieren nicht, das ist korrekt. Da gibt es Teilnehmer, welche sich über ein Qualifyer günstig Zutritt verschafft haben (siehe Chris Moneymaker vor 10 Jahren), die vielen Hobby-Spieler die sich damit einfach einen Traum erfüllen und auf den Final Table hoffen und die Profis. Viele der Profis „dürften“ gar nicht teilnehmen, weil sie nicht über eine Bankroll von einer Million Dollar oder mehr verfügen. Sie tun es aber trotzdem, aus Spass, aus Hoffnung, oder weil ihnen das Buy-In von einem Sponsor bezahlt wurde.